Pseudo-orientalischer Flair auf Wienerisch
Sehen und gesehen werden, das war einmal. Den weißen Spritzer trinkt man dort Dienstag Vormittags. Leider nicht mehr als Understatement-Zeichen eines aufstrebenden Künstlers der Akademie der bildenden Künste. Heute wohl eher als Overstatement-Zeichen eines Alkoholikers.
Auf den Naschmarkt geht man halt. Entweder als Wiener, weil der Ort war mal cool, oder als oberösterreichischer Tourist. Denn das hat die Nachbarin Helga aus Vöcklabruck gesagt. Weil da gibt es super lecker Humus und so. Wobei sich das „und so“ eher auf die Abzock-Frühstückslokale bezieht. Deli, Doan und Co und wie sie alle heißen. Hingeklatschte Eier mit Zigarettenbörek (schmeckt auch so), verwahrloste Gurken, Suppenkonsistenzmarmelade und natürlich altbackenes Fladenbrot, bei dem Sie eher glauben, Sie beißen in eine Sandkiste.
Frühstück bis 16 Uhr, der Cafe ist inkludiert. Durchschnittlich 10 Euro kostet das Abenteuer.
Natürlich kann man auch flanieren und der Duft von Honig, Oliven und orientalischen Gewürzen steigt einem in die Nase. Doch die Vielfalt täuscht. Der hintere Abschnitt des Naschmarkt erinnert an Harlem in den 80ern. Gun Shop, Gun shop. Liquor shop, Gun shop. Nur sind es keine Gun shops sondern eben diese repetierend aneinander gereihten Gewürz-Tee-Humus-Oliven Marktstandln. Der Tourist kauft seine Wasabinüsse, die Stammkundin ihren weißen Spirtzer. Der Markt, so heißt es, stirbt.
Früher war ich gerne dort. Eine Saison habe ich auch das Tableau in einen dieser Hinklatschspiegeleier-Läden geschupft. Unzählige Abende bin ich mit Freunden im Deli gesessen und wir haben uns einen hinter die Binde gekippt, während wir die Damenwelt aus der ferne betrachtet haben. Doch manch einer wird älter, die Aura und der Reiz gehen verloren und so auch der Geschmack vom köstlichem Sandkistenbrot.
Also bleibt mir nichts anderes übrig als Alkoholiker zu werden, oder das Weite zu suchen. Kennen tut mich dort eh keiner mehr.
Fazit: Schau hin mit deiner Mama, iss lieber im vorderen Bereich des Naschmarkt, kauf dir ein paar Wasabinüsse, betrinke dich gerne auch einmal und dann mach auf altwienerisch „an Meter“.